Dialog der Religionen
"Gott ist barmherzig"

Zum neunten Mal haben die Wuppertaler Moschee-Vereine am 7. Juni das traditionellen Fastenbrechen im Ramadan auf dem Johannes-Rau-Platz in Barmen veranstaltet. Unter den Gästen war auch Superintendentin Ilka Federschmidt, deren Grußwort wir an dieser Stelle dokumentieren:
Sehr geehrte Damen und Herrn,
liebe Nachbarinnen und Nachbarn,
ich danke sehr herzlich für die Einladung zum Iftar-Abend und wünsche Ihnen und Ihren Familien einen gesegneten Fastenmonat Ramadan und ein frohes Fest des Fastenbrechens!
Meine evangelische Kirche feiert in diesem Jahr das Jubiläum der Reformation im 16. Jahrhundert. Daraus entstand die Evangelische Kirche. Im Mittelpunkt der Reformation vor 500 Jahren war eine Wiederentdeckung des Glaubens: Gott ist gnädig. Gott ist barmherzig.
Wie dringend brauchen wir die Erinnerung daran in den Geschehnissen in unserer Welt.
Ich erinnere mich an ein Treffen zwischen meiner Kirchengemeinde, der katholischen Nachbargemeinde und der benachbarten Moscheegemeinde. Gemeinsam haben wir uns eine Erzählung, ein Gleichnis von Jesus aus der Bibel angehört; auf Deutsch und auf Türkisch.
Eine Erzählung von der Barmherzigkeit.
Das ist eine wunderbare, eindrucksvolle Geschichte; ich möchte sie kurz erzählen.
Jesus erzählte:
Ein Vater hatte zwei Söhne.
Der jüngere Sohn verlässt den Bauernhof des Vaters.
Er lässt sich sein Erbe auszahlen und geht weg.
Er geht in die Stadt.
Er wirft mit dem Geld um sich. Bald ist er pleite, steht auf der Straße, völlig verarmt. Keiner will ihm helfen.
Nur noch bei einem Schweinebauern kommt er unter. Vor lauter Hunger ist er das, was die Schweine fressen.
Da denkt er an seinen Vater. Der ärmste Arbeiter bei meinem Vater hat es besser als ich, denkt er. Er kehrt um mit weichen Knien. Er rechnet mit Schimpf und Schande.
Und der Vater auf dem Hof?
Was für eine Überraschung! Er erkennt sein Kind aus weiter Ferne.
Er läuft ihm entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn.
Was bewegt den Vater? „Mein Kind war verloren und ist wieder gefunden. Mein Sohn war (wie) tot und ist wieder lebendig.“
Jesus sagt: So ist Gott. Gott ist barmherzig wie dieser Vater.
Damals bei unserem Treffen in der Moscheegemeinde sagte der Imam:
Diese Geschichte kann ich unterschreiben. Ja, Gott ist wie dieser Vater. Gott ist barmherzig.
Liebe Nachbarinnen und Nachbarn,
unsere Religionen sind verwandt.
Wenn das wahr ist für Sie, für uns: "Gott ist barmherzig. Gott vergibt.", - dann lasst uns hier in unserer Stadt weiter dafür arbeiten, dass wir für Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit eintreten. Auch für Vergebung.
Wir finden Gottes Barmherzigkeit in Jesus Christus und in der Bibel.
Sie finden Gottes Barmherzigkeit im Koran und feiern sie im Ramadan.
Wir alle brauchen seine Barmherzigkeit und sind darauf angewiesen.
Das gibt mir neue Augen für den anderen Menschen. Neue Ohren.
„Gott ist mit uns“, das haben Christen im Krieg gegen andere gerufen.
Gott ist mit uns – das sagen Fanatiker voller Hass in unserer Welt.
Aber wir wissen:
Gott ist mit uns, wenn wir barmherzig sind. Wenn wir den Mut zur Barmherzigkeit haben. Wenn wir dem Hass die Barmherzigkeit Gottes entgegensetzen. Wenn wir gegen Verachtung und Vorurteil einschreiten. Wenn wir nicht aufgeben, dass wir uns bei aller Verschiedenheit verstehen und verständigen wollen. Ohne Barmherzigkeit kein Frieden. Ohne Barmherzigkeit keine Gerechtigkeit.
Wir erleben hier in Wuppertal schon ein gutes Miteinander.
Ich möchte mit Ihnen hier leben und zusammen arbeiten im Geist der Barmherzigkeit Gottes. Da ist schon viel Gutes geschehen. Und viel haben wir noch vor uns.
Die Geschichte von Jesus endet in einem fröhlichen Fest am gemeinsamen Tisch. Die Liebe und die Barmherzigkeit waren stärker als das, was auseinanderbringen will. Das ist ein Grund zum Feiern.
In diesem Sinn segne Gott auch den Tisch / die Tische, an denen wir heute Abend mit Ihnen fröhlich feiern dürfen. Einen gesegneten Ramadan!
foto: uwe schinkel
text:ör-mg